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Das neue Book of the Year ist da!

The time is out of joint (Hamlet I,5,188)

Gleich, wo wir uns hinwenden: die Augenblicke, in denen wir positive Eindrücke, Nachrichten und Erfahrungen sammeln können, werden immer seltener. Irgendwie erscheint nachgerade alles aus den Fugen geraten zu sein. Selbst gewohnte, routinemäßige Abläufe funktionieren in unerwarteter Art und Weise nicht mehr. Wen wundert es da, wenn mehr und mehr Menschen die Zeit, in der wir leben, als wahre „Multikrise“ ganz ohne „Normalität“ empfinden!

Spätestens seit der Covid-19 Pandemie sind die Anzeichen so evident, dass sich unsere Gesellschaft vom Grundkonsens einer als gemeinsam angesehenen Wirklichkeit mehr und mehr verabschiedet. Die gleichen Daten und scheinbar objektive Fakten führen dann zu diametral gegensätzlichen Interpretationen. Je nach den „Blasen“, die durch die Algorithmen der bevorzugten „social media“- Plattformen entstehen, werden „Fakten“ konstruiert und die Konsument:innen damit letztlich manipuliert. Geschickt sind die zugrundeliegenden „fake news“ so camoufliert, dass sie nur schwer zu entlarven sind, bzw. ein entsprechender Befund dann selbst als „fake news“ adressiert wird.

Angesichts der Unschärfen dessen, was unsere Gesellschaft als Wirklichkeit empfindet, verwundert es nicht, dass vor einiger Zeit noch vollkommen aus der Zeit gefallene Geschehnisse, wie der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Lage in Nahost, die ja zunächst unermessliches Leid, Tod, Missachtung der grundlegenden Menschenrechte mit sich bringen, auch zum Anlass für paradox erscheinende Phänomene werden. Zumindest oberflächlich überwundene Geister wie ethnisch begründete Diskriminierungen, Antisemitismus oder die Bewertung von Migration bekommen einen überraschenden Spin, der dann auch mehr oder weniger schamlos politisch missbraucht werden kann.

Aber auch ausnahmslos alle auf dieser Welt lebenden Menschen betreffende Entwicklungen, wie der globale Anstieg der Temperatur und die damit verbundenen Veränderungen des Klimas, sind weit davon entfernt, unbedingt erforderliche Maßnahmen im Sinne eines Grundkonsenses auszulösen. Selbst das Eintreten, der von Expert:innen prognostizierten Extremwettersituationen (extreme Dürreperioden bzw. Jahrhundertniederschläge) werden nicht als Anzeichen für dringend notwendige gesellschaftliche Umdenkprozesse angesehen. Der „Sand im Getriebe“, der nicht zuletzt durch den nicht mehr vorhandenen gesellschaftlichen Grundkonsens und seine politische Instrumentalisierung vorhanden ist, führt bestenfalls zu halbherzigen Kompromissen, die der Dringlichkeit des Anlasses alles andere als entsprechen.

Zu all dem, was da draußen ist (und entsprechend von menschlichen Interessensgruppen zu den unterschiedlichsten „Realitäten“ konstruiert wird), erscheint gerade ein neues Gespenst am Firmament: „KI“. Was tun mit der „künstlichen Intelligenz“: wie deren Produkte erkennen, was damit machen: sie verbieten, sie fördern oder sie vielleicht sogar konstruktiv nutzen? Jedenfalls sind es momentan also nicht nur Menschen selbst, die direkt an den Schrauben der jeweiligen „Realitäten“ drehen, sondern einige haben iterativ ablaufende Algorithmen programmiert, die nun mehr oder weniger selbsttätig solche „Realitäten“ (mit)-erzeugen!

Die Diskurse, was denn nun jene Fakten sind, die unseren gesellschaftlichen Grundkonsens stützen (bis hin z.B. zur Wertigkeit der Menschenrechtskonvention), und welche Werte sich daraus ableiten lassen, müssen zum einen selbstverständlich geführt werden, zum anderen wird die Basis dafür aber mehr und mehr erodiert.

Wenn nun schon die Welt der so genannten Erwachsenen solcherart ungewiss wird, so stellt sich folgerichtig auch noch die Frage, wie sie denn von Kindern und Jugendlichen wahrgenommen wird. Auch hier wird die Covid-19 Pandemie zu einem Punkt, an dem sich die Funktionalität der gesellschaftlichen „Gelenke“ bedeutsam verändert: selbst der Unterricht hat sich damals von der realen Welt in eine virtuelle Welt verlagert. Die individuelle Herausforderung, sich mit den multiplen Facetten der Wirklichkeit auseinanderzusetzen und die dafür notwenige Urteilskraft zu erlernen, wird angesichts der Reibungslosigkeiten virtueller Welten zu einer Herausforderung, derer man sich durch Verweilen in der Virtualität einfach entziehen kann.

Was sind nun die wichtigsten Einrichtungsgegenstände der Jugendlichen in solchen Fluchtorten aus der Wirklichkeit? Drei Beispiele zeichnen hier folgendes Bild:

  1. Instagram: Es zählt das Selbst: Selbstdarstellung, Selbstoptimierung des Äußeren, Likes als Bewertung des Äußeren, im positiven wie auch im negativen Sinn.
  2. TikTok: Kopie dessen, was als optimal empfunden wird, bis hin zur Aufgabe der eigenen Persönlichkeit.
  3. Gaming: Der frei wählbare Avatar wird zum Selbst; Spiele, bei denen es um Leben und Tod geht, können schmerzfrei und in beliebiger Wiederholung des eigenen (Alias)-Lebens erlebt werden.

Die Schlussfolgerung, wonach solche Fluchten letztlich zu unerwünschten Nebenwirkungen führen sind keineswegs neu. Onlinezeiten, die jene des Verweilens in der realen Welt überschreiten, führen bei Kindern und Jugendlichen zu Vereinsamung, Empathielosigkeit, Leistungsnachlass in der Schule, Schlafstörungen, mangelnder Selbstführung und einer wachsenden Abhängigkeit von den Identitäten in der virtuellen Welt. Nur dort kann noch Selbstwirksamkeit erfahren werden. Das menschliche Gegenüber in der realen Welt kann nicht mehr richtig gelesen werden und die Reaktion darauf ist oft unzureichend.

Wenn sich aber die Werte des eigenen Lebens mehr und mehr in die virtuelle Welt verlagern, wundert es nicht, dass ein (gedanklicher) Ausstieg aus der realen Welt immer attraktiver wird. Die Einrichtungsgegenstände der realen Welt werden immer uninteressanter, eine Bewertung derselben nicht als Herausforderung wahrgenommen. Ein Handeln in der Krise ist nicht mehr erstrebenswert.

Die seit jeher als Herausforderung der Erwachsenen wahrgenommenen Hilfestellungen während der Adoleszenz weisen ebenfalls immer öfter Leerläufe auf: ein Leben der Jugendlichen, das sich in die Virtualität flüchtet, hat andere Maßstäbe als die multiplen realen Herausforderungen der Erwachsenenwelt. Beiderseitiges Unverständnis ist allzu oft die Folge. Viele Erwachsene wollen, können aber nicht mehr an den richtigen Stellen ansetzen. Viele Jugendliche nehmen solche Versuche dann auch als unzulässige Interventionen in ihre Wirklichkeiten wahr. Ein solcherart unerfreulicher Befund kann einerseits zu vollständiger Resignation führen, andererseits aber auch als Ausgangspunkt für entsprechende Handlungskonzepte aufgefasst werden.

Vieles kann der Mensch entbehren, nur den Menschen nicht.
(Carl Ludwig Börne 1786 – 1837)

Angesichts dieses zeitlosen Aphorismus muss festgestellt werden, dass Menschen reale Beziehungen zu Menschen brauchen, wie auch die physische Anwesenheit eines Gegenübers, die Herstellung eines Blickkontaktes, die Möglichkeit einander zu berühren, Fairness und Fürsorge. Menschen brauchen zudem reale Beziehungen zur umgebenden Natur, als kostbares Gut und Lebensgrundlage. Und Menschen brauchen reale Beziehungen zu sich selbst, zu ihrem Körper, wie er ist und sinnlich wahrgenommen werden kann.

O cursed spite, that ever I was born to set it right.
(Hamlet I, 5, 188)

Auch als Bildungsinstitution, wie die Walz eine ist, gilt es entsprechende Handlungskonzepte wieder der aus den Fugen geratenen Welt zu entwickeln und als Stärkung der Urteilskraft umzusetzen. Dass diese Konzepte vollinhaltlich den gewünschten Erfolg nach sich ziehen, ist mit Sicherheit nur ein Traum, im Sinne von sehnlichem Wunsch. Wir, in der Walz, sind aber, dessen ungeachtet bereit, uns dafür einzusetzen!

Wir, in der Walz, haben den Traum,

  • Jugendliche auf ihrem Weg in die Realität zu begleiten und zu unterstützen.
  • Jugendliche beim Entdecken ihrer Potentiale zu fördern.
  • Jugendliche im Mentoring so zu begleiten, dass sie die Anregungen und Interventionen als Unterstützung ihrer Entwicklung sehen.
  • dass die Arbeit im Theater, d.h. in eine Rolle zu schlüpfen, in den Schuhen einer Protagonistin, eines Protagonisten zu gehen den Jugendlichen hilft, sie dazu anregt, ein Verständnis für andere Menschen zu entwickeln, andere Lebenswirklichkeiten zu erfahren und andere Handlungsmöglichkeiten zu entdecken.

Wir, in der Walz, haben den Traum, dass die Jugendlichen

  • in der Kunst die Schönheit der Natur, Architektur, Malerei und Bildhauerei erfahren.
  • sich zeichnend und malend die Welt und sich Selbst erobern.
  • getreu nach Josef Beuys, wonach jeder Mensch ein Künstler/eine Künstlerin ist, die Künstlerin, den Künstler in sich selbst finden.
  • die Auseinandersetzung mit Literatur den Menschen und die Welt näherbringt.

Wir, in der Walz, haben den Traum,

die Jugendlichen in der Walz auf ihrem Bildungsweg zu unterstützen, dass sie sich den jeweiligen, zu erarbeitenden Themen zuwenden – aufnehmend und fragend, vor allem aber hinterfragend, um ein Weltverständnis zu erlangen, damit sie sich in der realen Welt orientieren können.

Wir, in der Walz, haben den Traum,

  • mit den Jugendlichen gemeinsam Denkprozesse zu durchwandern und Neues zu entdecken.
  • Jugendlichen Sprache näherzubringen, damit sie sie als wertvolles Gut der zwischenmenschlichen Kommunikation erkennen und entsprechend verwenden. Sprache kann Menschen verbinden, wir können sie in Gedichten und Geschichten erfahren. Sprache kann aber auch Tötungsbefehle artikulieren. Vereinfachte, schablonenhafte Sprache (cool, geil) verbindet nicht und ist nicht aussagekräftig. Abwertende Sprache (bitch, Fotze) verletzt den/die Sprechenden genauso wie die Empfänger:innen.

Wir, in der Walz, haben den Traum,

  • Jugendliche in der Walz begleiten und stützen zu können, wenn sie unterschiedliche Erfahrungsräume ausloten (unter der Plane am Kamp, im Forst, am Bauernhof, bei körperlicher Anstrengung, an Tagen/Wochen ohne Smartphone).

Wir, in der Walz, sehen diese „Träume“ als unsere grundlegenden Handlungsfelder für die Begleitung, die Unterstützung und die Führung der „Walzist:innen“ auf der Suche nach Antworten auf die Frage: Wer bin ich? Es wäre ein Traum, wenn die Jugendlichen dieses Angebot annehmen, damit sie die nötige Urteilskraft erlangen, um sich in der Wirklichkeit an den erforderlichen Stellen einzubringen. Die Wirklichkeit und deren Bewältigung braucht solche Menschen mit Urteilskraft!

Das neue BOTY gibt es hier zum download. Gerne schicken wir dir (gegen einen Unkostenbeitrag) eines per Post zu. Dafür schicke uns eine Mail an info@walz.at.